7 Burundi Teil 4
5. Mai 2023
Heute Morgen fand eine Besprechung zur Zukunft unseres Engagements in Kivoga statt. Ergebnisse müssen noch von den entsprechenden Gremien genehmigt werden, aber ich kann versichern, dass wir hier längerfristig mehr investieren wollen. Die Ideen, Projekte und sichtbaren Verbesserungen, die hier von Denis Ndikumana und Project Human Aid um Thomas Fischer realisiert wurden, passen gut zum Stiftungszweck der Becker/Cordes-Stiftung. Vielleicht können wir das eine oder andere ergänzen. Deshalb dies auch als wichtige Nachricht an unser eigenes Kuratorium: die Projektpartner sind verlässlich, auch die vor Ort.
Danach ein Ausflug: erst zu dem Rohbau einer Kapelle auf dem Berg oberhalb von Kivoga. Ein inzwischen verstorbener französischer Architekt hat hier sein letztes Werk verwirklichen wollen. Ein interessantes architektonisches Konzept; leider fehlt das Geld für den Weiterbau.
Dann zu nahegelegenen großartigen Wasserfällen. Beide Plätze zeigen noch einmal, wie wunderschön dieses Land ist. Kein Foto kann das herüberbringen.
Auch ein Basketballplatz bedarf der Renovierung.
Richard, Englischlehrer Thacisse, der Volleyballtrainer und ich haben dann mein persönliches Geschenk eingeweiht: das Spikeballspiel. Wer es kennt, schätzt es. Wir haben in kürzester Zeit einen Riesenspaß gehabt. Sie waren absolut begeistert und lernten so schnell, dass sie Burundi bei der nächsten Spikeballweltmeisterschaft vertreten werden. Ich werde ihr Nationaltrainer.
Die Berufsschülerinnen haben vor dem Abendessen nur für mich einen Dankestanz mit Gesang aufgeführt. Sie haben sich dafür mit schönen farbenfrohen Tüchern geschmückt. Ich war sehr gerührt. Die Mädchen haben einen tollen Job gemacht, indem sie mich im Rahmen ihrer Ausbildung betreut haben. Eigentlich hätte ich ihnen etwas vortanzen sollen; das hätte mal einen Spaß gegeben.
Jetzt noch zwei Themen, die mir wichtig sind, und die ich vorher nicht untergebracht habe:
1. Elektrizität
Es ist bekannt, dass Elektrizität ein wichtiger Pfeiler für Wohlstand ist. So richtig wird das einem aber erst klar, wenn man mit eigenem Auge sieht, wie das Leben ohne Strom mehr schlecht als recht funktioniert. Zunächst mal ist es dann abends dunkel, was die Sicherheit negativ beeinflusst. Aber auch so einfache Dinge wie Lesen, Handy aufladen, Internetkommunikation (WiFi oder Mobilfunk), Kochen und vor allem: Kühlen, sind fast unmöglich. Gestern Abend haben wir mehrfach für längere Zeit Stromausfall gehabt, was aber niemanden hier besonders aufregt. Es passiert halt ziemlich oft.
Eine smarte Lösung wäre die Nutzung von Solarenergie mit Zwischenspeicherung in Akkus. Das muss aber robust, bezahl- und reparierbar sein. Also qualitativ hochwertige Ware am besten gleich doppelt als Backup – möglichst in der Nähe produziert. Damit spart man Transportkosten und stärkt die Infrastruktur. In dieser Hinsicht bin ich gespannt auf Ruanda, die in dieser Hinsicht anscheinend etwas weiter sind.
2. Wasser
Die Burundier kennen unsere vier Jahreszeiten nicht. Sie unterscheiden nur zwischen Regen- und Trockenzeit (viele Freunde hier haben mich interessiert gefragt, wie das so ist mit Frühling, Sommer, Herbst und Winter). Theoretisch gibt es in Burundi kein Wassermangel, da in den Bergen genug Wasser fließt. Allerdings fehlen die Leitungen, um das Wasser in den einzelnen Dörfern zu verteilen. Oder sie sind so kaputt wie die zu dem von PHA gebauten Internat: dort herrscht im Moment die absurde Situation, dass das Wasser aus dem Fluss im Tal geholt werden muss, obwohl es in Strömen regnet. Vereinzelt gibt es Wasserkraftwerke, die aber zu klein dimensioniert sind, um die vielen Dörfer zu versorgen. Nichtsdestotrotz liegen hier Potentiale für eine vernünftige Energiegewinnung. (Ich vermeide hier den Begriff „nachhaltig“, auch wenn dieses Etikett für Wasserkraft zutreffend sein mag. Aber ich halte es nicht für zielführend, einem Land mit so eklatanten Infrastrukturschwächen unsere Kategorisierung überzustülpen. Deshalb nenne ich es „vernünftig“, das erlaubt mehrere Betrachtungsweisen. Und man sage, was man will, aber Nachhaltigkeit ist trotz globaler Wichtigkeit nicht das Thema Nummer eins in Burundi).
Der Regen ist auch die Hauptursache für die katastrophalen Straßenverhältnisse, denn der Asphalt wird unterspült und es entstehen tiefe Schlaglöcher, die zum Teil kreuz und quer über die Straße verteilt sind. Und schlechte Straßen behindern einen gut funktionierenden Austausch von Waren, was die Wirtschaft zusätzlich belastet.
So, das war’s vorerst mit Burundi. Falls sich jemand ob der Dichte und chaotischen Reihenfolge der Themen beschweren möchte, dem darf ich kurz aufzählen, welche Geschichten ich nicht erzählt habe:
- Von Desiré, dem besten Fahrer Burundis und größten Feind aller Schlaglöcher. Er hat fährt mich morgen auch nach Ruanda. In Bujumbura hat er die Radarfalle samt den mit ihren Waffen fuchtelnden wütenden Polizisten elegant im Slalom umkurvt wie die Schlagköcher und dann kräftig aufs Gas gedrückt.
- Vom 33-jährigen Bobo und seiner Frau Luanis, der nach der zweiten Fehlgeburt ohne Rücksprache der Ärzte die Gebärmutter entfernt wurde. Jetzt ist Luanis schwer krank und benötigt für eine sechsmonatige Behandlung Medikamente in Höhe von 1.000€ monatlich. Bobo verdient 70€ im Monat (Denis und ich haben sie zu Hause besucht; ich habe ihre Namen verändert. Die BCS übernimmt die Kosten für einen Monat. Wir kaufen das Medikament morgen in Ruanda und Desiré bringt es dann mit zurück nach Kivoga).
- Von Korruption, denn ich kann dazu in meiner kurzen Zeit hier nichts sagen. Ich weiß, dass es ein großes Problem ist, denn von der Bevölkerung wird jeder BiF (Burundi-Franc) gebraucht. Ich bin hier gut betreut und habe kaum alleinigen Kontakt zu den Einheimischen. Für einen Außenstehenden wie mich ist es schwer zu beurteilen. „Afrika ist korrupt“ ist auch so ein Stereotyp, das sorgfältig geprüft werden sollte. Womit ich das Problem nicht verkleinern will.
- Von der Rolle der Kirche: nur drei Sätze seien mir erlaubt. Die Menschen hier haben nicht viele Auswahlmöglichkeiten bei der Entscheidung über ihre Zukunft. Die Kirche bietet ihnen das an und begleitet sie bei diesem Prozess, wenn auch nicht ohne Eigeninteressen. Aber sie ist integer, und wir NGOs können ergänzend unterstützen und dabei auch ein wenig korrigieren.
Dies waren die vier intensivsten Tage meines Lebens. Es ist so kompliziert! Was aber nicht bedeutet, dass man den Kopf in den Sand stecken darf. „Learning from Africa“ ist das Motto dieser Reise, und das habe ich bisher gelernt:
- Toleranz
- Respekt
- Die Schönheit des Landes
Tuzosubira Burundi!
Es ist auch meines Erachtens kompliziert, sehr sogar. Meine Erfahrung: Wenn man Burundi verstehen und dort gelingende Entwicklungszusammenarbeit betreiben will (und wahrscheinlich gilt das auch für die EZ an den meisten anderen Orten dieser Welt), muss man sich von einigem verabschieden, was man bislang darüber zu wissen geglaubt hatte, wie die Dinge nun mal sind und funktionieren. So viele Prioritäten sind andere als bei uns, so viele Zusammenhänge sind besonders anfangs schwer zu verstehen, und manch eine scheinbar krasse Widersprüchlichkeit ist am Ende womöglich gar keine. Nicht selten muss man um fünf Ecken denken – nur um dann festzustellen, dass hinter der sechsten noch etwas gelauert hatte, das man nicht gewusst oder berücksichtigt hatte. Aber dem muss man sich stellen, vor allem darf man sich davon nicht frustrieren lassen. Dann wächst man daran – und lernt. Dieses Lernen-Wollen ist auch meiner Meinung nach das Wichtigste, und lernen tut man bekanntlich ein Leben lang – ich kann jedenfalls sagen, dass ich auch nach fast 21 Jahren im Einsatz für Burundi noch reichlich zu büffeln habe.
Danke für Deinen Besuch – und weiter eine gute Reise!
Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen. Danke Thomas
Danke, lieber Herr Cordes, für den tollen Einblick, Ihre humorvolle und persönliche Sprache. Jetzt sind wir schon zwei Leute am Kepler-Gymnasium, deren Herzen für diesen wunderbaren Flecken Erde mit ihren wundervollen Menschen schlagen. Nächstes Jahr machen wir mit einem Fußballturnier weiter….. =) Gute Reise nach Ruanda und Tansania und bis bald!
Vielen lieben Dank lieber Herr Weis! Ja, jetzt bin ich schon in Ruanda, und die Unterschiede sind gewaltig – ich werde berichten…
Was macht denn die arme Frau nach 1 Monat??
PHA ist dran…