5 Burundi Teil 2

5 Burundi Teil 2

3. Mai 2023

Die Arbeit von PHA unterstützt das ganze Dorf mit all seinen Einrichtungen, dennoch ragt die Arbeit für das Schulwesen in Kivoga heraus. Das ist auch notwendig bei 43% Bevölkerung unter 15 Jahren, und Bildung ist ja bekanntlich die beste Investition in die Zukunft. Es gibt hier sechs verschiedene Schulen mit insgesamt 1.800 Schülern. Drei der von PHA finanzierte Schulen befinden auf einem großen Gelände.

Heute Morgen bin ich mit Richard zum Internet-Hotspot gegangen, und wir haben auf dem Weg den Schulhof der Grundschule gequert. Sofort waren wir umringt von 6–10-jährigen Kindern, die mich angestaunt haben. Ich habe dann brav „Bon Jour“ gesagt. Einige Kinder haben geantwortet, nur ein besonders vorlauter Junge hat „Bon Soir“ gerufen. Ich habe höflich „Bon Soir“ geantwortet, worauf sich die Kinder kaputtgelacht haben. So haben uns ca. 100 Kinder zum Internet-Raum begleitet, die lachend immer wieder „Bon Soir“ riefen.

Dann durfte ich die Berufsschulklasse besuchen, die von der BCS direkt unterstützt wird – unser Teil des großen Gesamtprojekts also. Ich habe am Unterricht teilgenommen und erstens gelernt, wie man Pizza bäckt und zweitens, dass man eine Strategie braucht, um die Pizza auch zu verkaufen. Denn was nutzt es, die beste Pizza im Dorf zu backen, wenn die potentiellen Käufer das gar nicht wissen und man nicht berechnen kann, wie hoch der Preis sein muss.

Später wurde das gerade gelernte in der Küche in die Praxis umgesetzt. Ich habe bei der Pizza-Produktion zugesehen und dann auch meine Mitbringsel verteilt: zwei Flaschen Holundersirup und ein Glas badischer Honig. Der Honig wurde sofort fachfrauisch beurteilt – mir war unklar, dass es in Burundi viele Bienen und damit auch eine heimische Honigproduktion gibt. Schwieriger war es mit dem Holundersirup. Elderflower oder aîné kannte keiner. Ich habe dann ein kleines bisschen in den Flaschendeckel gekippt und dann mit den Fingern eingetaucht und abgeleckt. Das fanden die Damen dann doch ziemlich lustig und bekamen größtes Vergnügen am Probieren. Ich habe nicht so richtig herausgefunden, warum sie denn jetzt so giggelten.

Bevor es die Pizza dann zum Mittagessen gab, sind wir sind dann noch einmal die Dorfstraße hinaus und hinunter gegangen. Viele kleine Geschäfte mit vielen Menschen auch hier.

Ich war auch dort eine Sensation. Vor allem kleinere Kinder haben immer wieder „Muzungu“ gerufen, was „Weißer“ bedeutet. Einen jungen Mann im BVB-Outfit habe ich angesprochen wegen seines ausgesprochen guten Kleider-Geschmacks: er hatte nämlich ein BVB-Shirt an (BTW: Es ist mir ja nicht zum ersten Mal passiert, dass ich aufgrund meiner deutschen Herkunft gelobt wurde, weil Bayern München so einen guten Fußball spielt. Mein vorsichtiger Hinweis zum Beispiel auf deutsche Ingenieurskunst wird oft nicht verstanden). Aber Muzungu ist okay.

Kleiner Exkurs zur Etymologie des Kirundi-Wortes „Muzungu“: Im 18. Jahrhundert waren die Deutschen in Burundi die Kolonialherren. Sie waren auch dafür bekannt, dass sie ständig umziehen wollten, entweder zu einem anderen Ort in Burundi oder zurück nach Deutschland. Aus den schimpfenden deutschen Worten „Umzug! Umzug!“ wurde dann „Muzungu“.

Ähnlich der Begriff, der einen Deutschen bezeichnet „Mudagi“: auch wenn die Deutschen immer umziehen wollten, so waren sie dennoch höflich zu allen und sagten immer „Guten Tag“ woraus die Burundier „Mudagi“ machten.

Falls mich jemand fragt, wo der Quellennachweis für diese Tatsachen ist, dem darf ich antworten: sprich mit Denis. Der hat mir das berichtet, und er ist immerhin ein hochgebildeter katholischer Pfarrer. Mir reicht sein Wort.

Am Nachmittags haben wir eine Videokonferenz mit der Burundi-Gruppe am Kepler-Gymnasium veranstaltet. Einige der burundischen Schüler haben mich hinterher gefragt, ob wir ihnen nicht auch Smartphones mitbringen, oder ihr Gap-Year finanzieren könnten. Es ist nicht ganz einfach zu erklären, dass wir nicht so viel Geld zur Verfügung haben, und dass unsere Projekte ganz bestimmte Ziele verfolgen.

Abends habe ich beim Besuch in der kleinen Provinzstadt Rutana Jean-Marie kennengelernt. Jean-Marie ist Freund und Kollege von Denis und auch Pfarrer von Beruf. Er war für längere Zeit in Deutschland und zeitweise auch in Freiburg. Als er hörte, dass Besuch aus Freiburg im Land ist, wollte er unbedingt mit mir sprechen, um sein Deutsch wieder zu entrosten. Jean-Marie ist ein offener und lustiger Mensch; wir haben uns über Gott und die Welt unterhalten. Er hat mir von seinen Erlebnissen in Freiburg erzählt, von der Afrika-Disko in Gundelfingen und den weißen Mädchen dort. Und davon, dass er in Freiburg 1998 von jungen Skinheads verprügelt wurde. Fünf Zähne hat ihn das gekostet, wie er mir postwendend beweist. Aber er lacht dabei und meint, er habe ihnen vergeben. Ich bin fassungslos und muss unbedingt meine Haltung zur katholischen Kirche überdenken. Auch wenn es superpeinlich ist: ich habe ich bei ihm für seine Vergebung bedankt.

3 Kommentare

  1. Burundi ist ja ein sehr isoliertes Land, und für unsere Berufsschülerinnen gilt das ganz besonders. Sie kommen in der Regel aus einfachsten Verhältnissen – mit vielen in Burundi erhältlichen Lebensmitteln, deren Verarbeitung sie in der Berufsschule lernen, hatten sie aus finanziellen Gründen in ihrem Leben zuvor vermutlich nur selten oder sogar nie Berührungspunkte. Es gab Reis, Bohnen, Maniok, Milch, Bananen und noch ein paar andere Dinge, aber das war’s dann auch. Und jetzt Holundersirup! Aus Deutschland!! Mitgebracht von einem echten Mudagi, und dann auch noch von dem, der ihre Ausbildung bezahlt!!! Das ist schon ein Aufreger – und dann wird in Burundi unter jungen Menschen halt gerne gegiggelt 😉

  2. Mei, Junge, was Du alles erlebst!! Herzlich Jörg

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