2 What’s Going On

2 What’s Going On

14.04.2023

Das Thema Afrika beschäftigt mich bereits seit vielen Jahren.

Begonnen hat es in den späten 1970er Jahren, in denen ich als Jugendlicher ein großer Fan von amerikanischem Soul, Funk und R&B-Musik war, während die meisten meiner Altersgenossen mehr auf wütende Punkrocker mit seltsamen Frisuren und Sicherheitsnadeln an allen möglichen Körperstellen standen (Zugegeben: die Ramones waren wirklich ziemlich lustig).

Die intensive Beschäftigung mit dieser Musik und ihrer historischen Entwicklung aus den Wurzeln Afrikas und über den frühen Jazz führt einen fast unmittelbar zu damit verbundenen weitergehenden Themen wie Kolonialismus, Rassismus und Sklaverei. Songs wie Billie Holiday „Strange Fruit“, Marvin Gaye „What’s Going On“, Hugh Masekela „Colonial Man“, The Neville Brothers „Sons and Daughters“, KRS One „You Must Learn“ haben meine Sinne geschärft und wesentlich zur Entwicklung meines Wertekanons beigetragen.

Eine Biografie über Nelson Mandela und später das Buch „Schatten über dem Kongo“ von Adam Hochschild haben mich politisch sensibilisiert. Sie haben mich auch richtig wütend gemacht über unsere europäische unrühmliche Beteiligung an den Vorgängen in Afrika. So habe ich viel über die Zusammenhänge gelernt, die der Kolonialismus verursacht hat. Ganz aktuell (11.04.2023) zitiert die Süddeutsche Zeitung in einem Interview den Journalisten Howard French: „Der Aufstieg des Westens war eine Geschichte der Ausbeutung. Sie beginnt mit den Goldfunden in Elmina im heutigen Ghana durch die Portugiesen. Afrikanische Sklavenarbeit wurde langfristig viel wichtiger, aber alles fing mit dem Gold an.

Wieso muss ein ganzer Kontinent, der derart reich an Kultur, Landschaft, Bodenschätzen ist, so arg kämpfen, hungern, leiden? Und: tut er das wirklich nur: Kämpfen, Hungern, Leiden? Ist das nicht auch so eine Überreaktion, die ein verzerrtes Bild von unserem Nachbarkontinent malt? Gibt es überhaupt „ein“ Afrika? Natürlich nicht! Dabei könnten und sollten Europa und Afrika gleichberechtigte (!) Partner sein; mit Vorteilen für beide Seiten. Gerade in Zeiten, in denen

  • in Teilen Europas wieder Krieg herrscht,
  • eine globale Allianz zur Rettung des Klimas unbedingt notwendig ist,
  • der Austausch von Waren, sei es Technologie, Energie aber auch Konsumgüter, die das Leben erleichtern, extrem wichtig ist (auf der anderen Seite durchläuft die Globalisierung der frühen 2000er Jahren aktuell eine fast dialektische Antithese)

In diesen Zeiten ist es wichtig, sich um gute nachhaltige Partnerschaften zu bemühen. Ich werde auf diesen Begriff „Partnerschaft“ in einem späteren Beitrag zurückkommen; er ist meines Erachtens ein Schlüsselbegriff im Verhältnis mit Afrika.

An dieser Stelle möchte ich kurz innehalten und meine Unsicherheit bezüglich der Verwendung von Stereotypen formulieren, denn der Übergang zum Rassismus ist fließend. Wie geschildert, bin ich seit frühester Zeit fasziniert von afroamerikanischer Kultur von Jazz bis zum Basketball. So rappte Prince im Jahr 1996: „Style is the face you make on a Michael Jordan Dunk“. Bin ich deshalb einem Riefenstahlschen Exotismus verfallen, der nahe am Rassismus wabert? Ich werde mich immer wieder dem Thema Rassismus stellen, auch auf theoretischer Ebene. Ob es mir aber gelingt, immer politisch korrekt zu formulieren, kann ich nicht versprechen.

Aber ich bin guter Dinge und offen im Herzen. Deshalb erlaube ich mir jetzt, dieses Thema erst zum Schluss wieder anzusprechen. Die geneigte Leserin möge es mir verzeihen; sie darf mich zum Ende dieses Blogs oder in den Kommentaren unten beurteilen.

Afrika: der unbekannte Kontinent, den ich liebe, obwohl ich ihn noch nie gesehen habe.

Afrika: der Kontinent, der mir ein schlechtes Gewissen macht, weil auch ich vom „Aufstieg des Westens“ profitiert habe.

Afrika: ich komme.

4 Kommentare

  1. Lieber Tillmann, vielen Dank für deine interessanten Beiträge. Ich persönlich habe leider ein viel zu undifferenziertes Bild von Afrika, aber vielleicht kann ich das in Zukunft ändern. Ich bin jedenfalls gespannt, wie es weitergeht.

    Viel Erfolg und Grüße
    Steffen

  2. Der Text erinnert mich stark an die Emotionen, die ich hatte, bevor ich 2004 meine erste Burundi-Reise angetreten habe. Auch ich hatte zuvor SEHR viel gehört, gesehen, gelesen, manisch fast. Der „unbekannte Kontinent, den ich liebe, obwohl ich ihn noch nie gesehen habe“ – genauso ging’s mir auch. Aber als ich dann tatsächlich da war … Das hat alles nochmal auf ein ganz anderes Level gehoben. Ich hoffe, Ihnen wird es auch so gehen, Kivoga jedenfalls ist bereit für Ihren Besuch!

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